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Aufstieg nach Mordor

 

Tag 45 | Tongariro Alpine Crossing

Aufstieg nach Mordor

Um 4.30 Uhr klingelt schon wieder der Wecker. Im Halbschlaf füllen wir unsere Kalorienspeicher und schmieren unsere Brote für Mittags. Als wir los fahren, ist es noch immer dunkel. Knapp 20 Minuten später erreichen wir den Parkplatz am Fuße des Mount Tongariro.
Um die Besucherzahlen etwas einzudämmen (und vermutlich auch, um etwas Geld zu generieren) hat das DOC (Department for Conservation) vor kurzem den Parkplatz auf der anderen Seite des Tracks auf eine Parkzeit von 4 Stunden begrenzt, so dass alle Besucher theoretisch ein Shuttle buchen müssen, dass sie dann – so wie uns jetzt – vom Parkplatz am Ende des Tracks zum Startpunkt bringt. Trotzdem nehmen weiterhin 1000-2500 Menschen pro Tag die 19,5 Kilometer lange Wanderung über die Vulkane auf sich.

Der Parkplatz ist schon ziemlich voll, als wir um 6.15 Uhr als letzte Passagiere den Bus besteigen. Während der wiederum 20-minütigen Fahrt zum Startpunkt geht langsam die Sonne auf und wir können einen Blick auf das werfen, was vor uns liegt. Naja, so richtig sehen wir mal wieder nichts, da die Berge komplett in den Wolken hängen.
Bei mir sorgt das für etwas Nervosität, da wir nicht einfach den Berg hoch laufen möchten, sondern oben auch gerne eine Belohnung in Form von tollen Ausblicken hätten.

Am Parkplatz reihen wir uns zunächst in die Bus-Parade ein, bevor wir aussteigen können und an der Toilette herrscht bereits ein ordentlicher Stau. Unser Busfahrer hat uns noch mal bestätigt, dass im Laufe des Tages Regen angesagt ist und wir daher nicht ganz so viel Zeit vertrödeln sollten, also machen wir uns auf den Weg in Richtung der wolkenverhangenen Berge. Auf 1100 Metern geht es durch eine Heidelandschaft über einen Boardwalk zunächst nur leicht bergauf, doch schnell wird es steiler und anstrengender.

Die Gräser und Büsche weichen schnell dunklem Lava-Gestein und aus dem Boardwalk werden immer häufiger Stufen, auch wenn wir davon langsam nicht mehr viel sehen, da wir inzwischen mitten in der Wolkendecke stecken und nur noch 10 Meter weit schauen können. Das reicht aber immer noch für ca. 20 sichtbare Mit-Wanderer, denn wir marschieren wie an einer Perlenkette aufgereiht durch den Nebel. Der immer stärker werdende Wind bereitet uns langsam Probleme und wir packen uns nach und nach in alle Klamotten, die wir mitgebracht haben. Am Ende der ersten Steigung sind wir auf 1700 Metern angekommen und laufen nun durch eine Art Wüste, den South Crater. Hier geht ein mächtiger Wind und wir können den Wolken dabei zuschauen, wie sie über die Ebene pfeifen und ab und zu einen kurzen Blick auf die nächste Steigung zum Red Crater zulassen.

Diese nehmen wir dann nach einem kleinen Abstecher zu einem Kratersee – bei dem ich fast meine Mütze an den Wind verliere und mir bei der Rettungsaktion meine Kamera auf den Kopf haue – in Angriff. Treppenstufen gibt es hier nicht mehr und jeder versucht einfach irgendwie rutschend und auf allen vieren, über Geröll und gegen den Wind oben anzukommen. Dabei helfen teilweise in den Stein gehauene Ketten. Die Leute ohne vernünftiges Schuhwerk haben sichtliche Probleme, andere haben ihre Kinder hinter sich mit einem um den Bauch gebundenen Seil gesichert und ziehen sie den Berg hoch. Nach diesen Strapazen lassen wir uns auf ein paar Steinen nieder und genießen unser erstes Sandwich.

Noch ein Mal müssen wir über Steine und Geröll aufwärts laufen, bis wir zunächst den Red Crater erreichen, wo ich dem kurzen Impuls widerstehe, meinen Ring hinein zu werfen (nein, natürlich nicht, aber wir sind hier schließlich an dem Ort, der in den Herr der Ringe Filmen als „Mordor“ herhalten musste), denn theoretisch könnte man hier einfach runter springen oder fallen. Den Mount Ngaurohoe müsste man theoretisch direkt nebenan sehen, aber der Gipfel bleibt den ganzen Tag über unsichtbar.

Dann erreichen wir endlich die Spitze (unseres Trips, nicht des Mt. Tongariro, den man theoretisch über einen Abstecher erreichen könnte) in über 1900 Metern Höhe und lassen glücklicherweise auch den Großteil der Wolken hinter uns, so dass wir einen spektakulären Blick auf die Emerald Lakes unter uns werfen können. Angeblich soll man hier bei gutem Wetter bis zu beiden Küsten schauen können, also auch zum Mt. Taranaki, aber den haben wir schon aus 100 Metern Entfernung nicht gesehen, warum sollte das also heute aus 200 Kilometern besser aussehen.

Der Abstieg zu den Seen gestaltet sich aber wiederum nicht ganz einfach und so rutschen wir mit mehr (ich) oder weniger (Sandra) Spaß den Hang hinunter, während vor allem die Wanderer mit Gehstöcken gerne mal auf dem Hosenboden landen. Überhaupt scheint es mal wieder so, als ob diese Dinger die Menschen eher behindern und niemand weiß, wie man sie richtig einsetzt.
Während die Sicht immer besser wird, verhält es sich mit der Luft gegenteilig, denn die Seen verbreiten einen muffigen Schwefelgeruch.

Wir laufen um die Seen herum und können einen weiten Blick ins Tal in Richtung Südosten werfen, bevor wir merken, dass es unverschämterweise schon wieder den Berg hoch geht.

Zum Glück nicht ganz so lange, so dass wir nach kurzer Zeit den Blue Lake erreichen, wo wir eine kurze Verschnaufpause einlegen und den Blick auf den See sowie zurück auf den Red Crater genießen.

Sandra hat übrigens vor ein paar Tagen festgestellt, dass sie mehr so der alpine Wanderer ist, auch wenn sie Steigungen nicht mag… Nun ja, da unser Geld leider nicht für einen Hubschrauber reicht, bleibt uns nichts anderes übrig als auch die letzten steilen Meter zu Fuß zurück zu legen, bevor wir die letzte Kuppe überwinden und mit Blick auf den vor uns liegenden Lake Rotoaira den Abstieg beginnen. Um uns herum gibt es nun schnell wieder Vegetation und wir laufen mit kurzer Brotzeit-Unterbrechung über gewundene, aber befestigte Wege der Hütte in der Mitte des Abstiegs entgegen.

Ab hier wird es leider wieder schmerzhaft. Das kennen wir ja schon vom Keppler Track und so heißt es für die letzten fünf Kilometer Klappe zu und den Schmerz in Knien und Beinen einfach versuchen zu ignorieren, während über uns eine bedrohliche Regenwolke aufzieht, die aber zum Glück nur ein paar Tropfen abwirft. Die Büsche wachsen uns inzwischen schon wieder über den Kopf und dann erreichen wir auf den letzten zwei Kilometern bewaldetes Gebiet. Im Gegensatz zu den bisherigen 17 Kilometern ist auf einmal niemand mehr um uns herum, so dass wir sicherheitshalber überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, aber erreichen dann doch endlich nach 6 ½ Stunden unser Auto auf 750 Metern Höhe, also 1200 Meter weiter unten als noch vor 2 Stunden.

Im Gegensatz zu gestern haben wir uns heute unser folgendes Eis redlich verdient. Wir besorgen uns noch einen Happen zu Essen im Supermarkt und kehren dann deutlich früher als erwartet in unsere Unterkunft zurück. Wir entspannen uns ein wenig, bis wir uns endlich aufraffen und für unser Dinner in die Stadt fahren wollen. Alan und Lynn fangen uns allerdings ab und laden uns netterweise zum Abendessen mit Lynns Eltern ein.
Es gibt Lamm, Süßkartoffeln und Gemüse, dazu fantastischen „Pudding“ (nein, nicht wie in Deutschland) und wir haben einen netten Abend mit den Vieren (Alan ist Maori und erzählt uns einiges über ihre Geschichte), bis Alan zu einem Einsatz gerufen wird. Er ist unter anderem Lifeguard und muss vermutlich irgendwelche Touristen aus dem See ziehen.

Danach bleibt es zwar nett, aber Lynns grundsätzlich liebenswerte Eltern reden viel und das üblicherweise gleichzeitig, was für unsere müden Gehirne etwas anstrengend ist. Wir schaffen irgendwann den Absprung und fallen um 10 todmüde in unser Bett.

 

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