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What goes up must come down

 

Tag 27 | Kepler Track Tag 2 | Luxmore Hut – Iris Burn Hut

What goes up must come down

Wir wachen durch die vielen Aktivitäten um uns herum um sieben Uhr auf und scheinen die einzigen zu sein, die sich schon am Vorabend eine Essenstasche gepackt haben und ihren Rucksack erst nach dem Frühstück packen, um genau diesen Krach zu vermeiden.
Dementsprechend sind wir aber auch so ziemlich die letzten, die die Hütte in Richtung Iris Burn Hut verlassen.

Das Streckenprofil in der Broschüre weist heute zwei schicke kleine Kurven auf, aber Paul hat und gestern schon gesagt, dass es auf den 14,6 Kilometern eigentlich zwei mal 400 Höhenmeter rauf geht, bevor wir von unserem höchsten Punkt auf über 1400 Metern wieder etwa 1000 Höhenmeter runter müssen.
Da wir den ersten Teil des Tages ungeschützt in der Sonne laufen werden, schmieren wir uns ordentlich mit Sonnenmilch ein, nur um nach den ersten paar Metern vom aufgewirbelten Staub der Umgebung schön paniert zu werden.
Relativ schnell bieten sich uns tolle Aussichten auf den Lake Te Anau rechts von uns, der aus dieser Perspektive wie ein Fjord aussieht.

Weiter oben können wir auch vor uns immer weiter sehen und irgendwie hatten wir gar nicht damit gerechnet, dass es in Richtung Meer noch so viele hohe Berge gibt.
Einige andere Wanderer unternehmen noch den kleinen Ausflug zur Spitze des Mount Luxmore, aber wir sparen unsere Kräfte lieber und freuen uns, dass wir auch mal wen überholt haben 😉

 

Unsere Pausen möchten wir heute an den beiden kleinen Schutzhütten am Weg machen und nach der ersten Steigung freuen wir uns über einen Picnic Tisch, den wir uns mit Clara und Alex aus Dresden teilen. Die beiden sind insgesamt 6 Monate lang in Neuseeland unterwegs und teilen sich die Zeit zwischen Reisen und WWOOFing (man arbeitet für seinen Gastgeber und bekommt dafür Kost und Logie) auf.

Nach unserer Brotzeit geht es zunächst etwas bergab, doch dann auch schnell wieder in die andere Richtung.
Der Wind pfeift uns heftig um die Ohren während wir über schmale Pfade auf Bergkämmen an Massen von Tussock Gras vorbei laufen und ich packe meine Mütze vorsichtshalber in den Rucksack, bevor sie den Abhang runter fliegt.

 

Wir werden von zwei Joggern überholt….okay.

Es gibt hier übrigens jährlich die sogenannte Kepler Challenge, bei der die Teilnehmer den Track komplett in einem Stück durch laufen. Der Rekord liegt bei 4 1/2 Stunden – wir sind nach den ersten beiden Tagen schon bei 12.

Unsere zweite Pause machen wir nach dem zweiten Anstieg am „Hanging Shelter“. Wir genießen gutgelaunt unsere Cola mit Blick auf die über dem Abhang schwebende Toilette und dem Glauben, den schwersten Part des Tages bereits hinter uns zu haben, denn von nun an geht es ausschließlich bergab. Wie sich zeigen wird eine klare Fehleinschätzung.

Keine Fehleinschätzung ist, dass wir mitten im schönsten Abschnitt des Kepler Tracks sitzen, für den sich alle Mühen gelohnt haben. Hinter uns liegt der Lake Te Anau und die bereits erklommenen Gipfel, vor uns schauen wir ins Gebirge und schnell auch aufs nächste Tal, zum Lake Manapouri und (was wir jetzt noch nicht wissen) auch runter auf unsere nächste Hütte, die Iris Burn Hut bzw. den daneben fließenden Iris Burn. Sehr weit runter. Um genau zu sein von 1400m auf etwa 500m und mit genau diesem Höhenunterschied werden wir den Rest des Tages verbringen.

Über den nächsten Berggrat und einige eingebaute Treppenstufen erreichen wir den eigentlichen Abstieg, der uns recht schnell wieder zur Baumgrenze führt.

 

Statt der Tussock Gräser gibt es jetzt wieder Moos und Farne, statt Bergpanorama dichte Wälder.
Die steilen Serpentinen tun leider auf dem Weg nach unten noch mehr weh, als der Aufstieg am Vortag und schnell brennen uns die Oberschenkel vom ständigen Abbremsen und wir müssen aufpassen, dass wir nicht auf dem Hosenboden landen, weil die Beine einfach nachgeben.

Nach einigen qualvollen Kilometern erreichen wir einen Zufluss des Iris Burn und ab hier ist die Steigung zum Glück nicht mehr ganz so extrem.
So können wir die schöne Waldlandschaft und die Flussüberquerungen wenigstens etwas genießen, auch wenn wir beide inzwischen liebend gerne schon am Ziel wären.

Über uns tanzt und singt ein Kea im Baum und irgendwie habe ich den Eindruck, dass er uns auslacht. Sandra wird vielleicht erzählen, ich hätte auch den ein oder anderen verrückten Dance Move zum Gesang der vielen anderen Vögel eingestreut, aber man muss ihr ja nicht alles glauben.

Kurzer Rückblick: Bereits gestern und auch den Tag über heute trafen wir öfter auf ein französisches Pärchen, das als eine der wenigen Mitwanderer ein ähnlich langsames Tempo wie wir an den Tag legt. Der Mann ist mit Wanderstöcken unterwegs, die er scheinbar nur dabei hat, um mit dem Geräusch andere Reisende in den Wahnsinn zu treiben. Während wir also die letzten drei Kilometer eigentlich nur noch unserem Ziel entgegen stolpern, höre ich von hinten wieder ein regelmäßiges „Tschak, Tschak, Tschak“ und weiß genau: das ist die letzte Motivation, die Sandra zum Endspurt braucht.

Ich muss mich gar nicht umdrehen (Sandra läuft meistens hinter mir, weil sie sich sonst gejagt fühlt) um zu wissen, dass wir den Rest des Weges doppelt so schnell laufen werden, um uns auf keinen Fall die Blöße zu geben, von den beiden überholt zu werden – und hauptsächlich, um noch eine Chance auf ein Erdgeschoss-Bett zu haben.

Wir retten uns tatsächlich nach etwa sechs Stunden mit einem kleinen Vorsprung ins Ziel, aber für die Deluxe-Betten-Kategorie sind wir sowieso zu spät. Immerhin bekommen wir aber drei Matratzen nebeneinander in der oberen Etage.
Die Franzosen treffen ein und ringen sich ein Lächeln ab, doch in ihren Augen erkennen wir die Schmach der Niederlage 😉

Unsere Schuhe müssen wir übrigens heute aneinander binden und aufhängen, weil sonst die Keas liebend gerne die Schnürsenkel klauen (wie sie wohl auch sonst ziemlich geschickt alles klauen was sie in den Schnabel bekommen).

Von der Hütte aus kann man noch einen Abstecher zu einem Wasserfall machen, den wir uns aber sparen. Wir laufen stattdessen zum etwas näher gelegenen Iris Burn um uns dort im Fluss endlich mal etwas gründlicher waschen zu können.
Von hier können wir bis oben zur Hanging Shelter schauen und realisieren, wie viel Höhenmeter wir gerade überwunden haben und dass wir genau diesen Punkt anb dem wir stehen eben noch von oben gesehen haben.

Zurück in der Hütte (die etwas kleiner als die gestern ist) kochen wir uns unser heutiges Festmahl: Beef Teriyaki mit Reis. Etwas besser als gestern, aber lecker ist anders.
Wir lernen Lore und Jo aus Belgien kennen, die den Track in nur zwei Tagen und mit leichtem Gepäck bewältigen. Trotzdem sind wir irgendwie neidisch auf ihr etwas seltsames Abendessen: Nudeln mit Tonnen von Butter und Zucker.

Vor unserer abendlichen Ranger-Ansprache besuchen wir noch Clara und Alex, die heute auf dem angrenzenden Zeltplatz übernachten und uns einiges von ihren bisherigen Erlebnissen in Neuseeland erzählen.
Unser heutiger Ranger Robbie ist auch noch bei den Zelten, so dass wir quatschen, bis wir ihm rüber zur Hütte folgen können.
Dort erzählt er uns, dass alle Ranger am Ende der Saison eine Party feiern, bei der jeder die vergessenen Klamotten der Wanderer trägt und ich versuche krampfhaft, mir Robbie nicht in einem zurückgelassenen Bikini vorzustellen.

Außerdem soll es heute Nacht anfangen zu regnen und die Leute, die in die entgegengesetzte Richtung laufen sollten lieber früh los, da der Bergabschnitt eventuell gesperrt wird. Wir scheinen also riesiges Glück gehabt zu haben mit unseren zwei Sonnentagen bisher.
Wenn es dunkel ist, soll es neben der Hütte noch einen netten Platz geben um Glühwürmchen zu beobachten, aber zu dem Zeitpunkt schlummern wir bereits tief und fest.

 

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